Am 12. August startete die NASA-Raumsonde Parker Solar Probe von Cape Canaveral in Richtung Sonne.  Die Mission hat für die FHNW eine besondere Bedeutung, denn in weniger als zwei Jahren wird sich eine zweite Sonde auf den Weg machen: Solar Orbiter. Diesmal mit unserem Röntgenteleskop STIX an Bord. Ich sprach mit dem Astrophysiker Säm Krucker vom FHNW Institute for Data Science, der in beide Missionen involviert ist.

Künstlerische Darstellung der Parker Solar Probe. Die Sonde wird der Sonne näher kommen als jede zuvor. Bild: NASA/Johns Hopkins APL/Steve Gribben Künstlerische Darstellung der Parker Solar Probe. Die Sonde wird der Sonne näher kommen als jede zuvor. Bild: NASA/Johns Hopkins APL/Steve Gribben
Künstlerische Darstellung von Solar Orbiter. Die Sonde wird 2020 ebenfalls in Richtung Sonne starten. Bild: ESA/C. Carreau Künstlerische Darstellung von Solar Orbiter. Die Sonde wird 2020 ebenfalls in Richtung Sonne starten. Bild: ESA/C. Carreau

Säm Krucker, was bedeutet die Parker Solar Probe für das Institut für Data Science?

Die Daten der Parker Solar Probe sind völlig neuartig, wir waren ja noch nie so Nahe bei der Sonne, und sie sind deshalb ein wahrer Schatz. Wir werden sie mit Beobachtungen von eigenen Instrumenten verknüpfen.  Beispielsweise mit solchen des an der FHNW gebauten Röntgenteleskops STIX , das 2020 an Bord der ESA-Mission Solar Orbiter ebenfalls zur Sonne fliegen wird.

Dies ist möglich, weil die NASA alle wissenschaftlichen Daten, die sie aus ihren Missionen gewinnt, für alle zugänglich macht.  Ihr Ziel ist es, dass möglichst viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese benutzen und damit Forschung betreiben. Es wird ein maximaler ‚scientific return on investment’ angestrebt.

Welche Bedeutung hat die Parker Solar Probe für Sie selbst? Wie sind Sie daran beteiligt?

Ich bin Co-Investigator des Instruments FIELDS, das an Bord der Parker Solar Probe Magnetfelder und Elektrische Felder der Umgebung der Sonne messen wird. Es wurde am Space Sciences Lab in Berkeley gebaut, wo ich ebenfalls arbeite. Was wir damit finden werden, ist nicht klar voraussagber, darum ist für mich die Mission auch ein wissenschaftliches Abenteuer. Wir werden erstmals Messungen bekommen direkt von den Orten, wo der Sonnenwind beschleunigt wird.  Auf diese Beobachtungen bin ich sehr gespannt, und ich bin mir sicher, dass es die eine oder andere Überraschung geben wird.

FIELDS ist eines von vier Instrumenten auf der Parker Solar Probe. Es misst die Magnetfelder in der Umgebung der Sonne. Bild: NASA/JPL FIELDS ist eines von vier Instrumenten auf der Parker Solar Probe. Es misst die Magnetfelder in der Umgebung der Sonne. Bild: NASA/JPL
STIX ist das Röntgenteleskop, das die Entstehung von Sonnenflares beobachtet. Bild: ESA STIX ist das Röntgenteleskop, das die Entstehung von Sonnenflares beobachtet. Bild: ESA

Relativ kurz hintereinander, mit knapp zwei Jahren Abstand, starten gleich zwei Sonden zur Sonne. Was hat die Parker Solar Probe mit Solar Orbiter gemeinsam?

Beide Sonden fliegen näher zur Sonne als jedes menschgemachte Objekt zuvor. Beide haben verschiedene Forschungsgeräte an Bord, die durch einen dicken Hitzeschild geschützt werden. Das Ziel beider Sonden ist es, zu beobachten, was in der Umgebung der Sonne passiert, denn hier existiert eine ungeheure Dynamik, die wissenschaftlich noch nicht verstanden wird. Beispielsweise das sogenannte ‚Coronal Heating Problem’:  Warum heizt sich die Atmosphäre der Sonne auf, und zwar massiv, von 6000° auf eine Million ° Celsius? Wir würden ja erwarten, dass sie sich gegenüber der Sonnenoberfläche abkühlt. Die Heizung erfolgt durch Freisetzung von Energie im Magnetfeld, aber wie dies geschieht, wissen wir noch nicht. Die Atmosphäre der Sonne ist heisser als die Oberfläche. Bild: theinfomonkey.com Die Atmosphäre der Sonne ist heisser als die Oberfläche. Bild: theinfomonkey.com

Wie unterscheiden sich die beiden Missionen?

Jede Mission muss Kompromisse machen. Wenn man extrem nahe zur Sonne fliegt wie die Parker Solar Probe, kann man keine Teleskope einsetzen, die direkt in die Sonne schauen. Auf der Parker Solar Probe sind alle Geräte hinter dem Hitzeschild verborgen. Dafür können wir Messungen von Magnetfeldern und Teilchen an Orten machen, wo noch keine Sonde war und die auch Solar Obiter nicht erreichen wird. Solar Orbiter wird der Sonne nicht ganz so nahe kommen. Sie hat ebenfalls Geräte an Bord, die Messungen vor Ort machen. Aber auch Teleskope, die durch kleine Löcher im Hitzeschild auf die Sonne schauen, wie zum Beispiel unser Röntgenteleskop STIX. Sendet die Sonde eines Tages keine Daten mehr, werden ihre Reste vermutlich noch lange weiter um die Sonne kreisen.
Im Hitzeschild der Parker Solar Probe gibt es keine Öffnungen. Die Instrumente sind dahinter versteckt. Bild: NASA/JHU APL Im Hitzeschild der Parker Solar Probe gibt es keine Öffnungen. Die Instrumente sind dahinter versteckt. Bild: NASA/JHU APL
Im Hitzeschild von Solar Orbiter gibt es kleine Öffnungen, durch die die Sonne beobachtet werden kann. Bild: ESA/ENBIO Im Hitzeschild von Solar Orbiter gibt es kleine Öffnungen, durch die die Sonne beobachtet werden kann. Bild: ESA/ENBIO

Arbeiten die beiden Missionen zusammen? Oder handelt es sich um Konkurrenzprojekte zwischen der NASA und der ESA?

Die Wissenschaft gewinnt nur durch Zusammenarbeit, das ist allen Beteiligten bewusst. Wir treffen uns an Konferenzen, wo wir sogenannte ‚joint observation sessions’ organisieren. Zum Beispiel am nächsten Solar Orbiter Science Meeting im November hier an der FHNW in Windisch, für welches Forschende aus der ganzen Welt anreisen werden. Sich in Person zu treffen ist wichtig, da viele neue Ideen für gemeinsame Forschungsprojekte in informellen Gespräche in den Pausen entstehen. Genauer planen können wir allerdings erst, nachdem Solar Orbiter in 2020 gestartet ist. Erst dann wissen wir, wann sich interessante Konstellationen der beiden Missionen bezüglich ihrer Position im interplanetarischen Feld ergeben werden.

Was passiert mit den Parker Solar Probe, nachdem die Mission abgeschlossen ist?

Sobald der Hitzeschild nicht mehr auf die Sonne zeigt, wird es schnell zu heiss. Nach Ende der Mission in etwa sieben Jahren wird er in der Sonnenatmosphäre verglühen. Vielen Dank, Säm, für die interessanten Einsichten direkt aus der Forschung! Kontakt: samuel.krucker (at) fhnw.ch Die Parker Solar Probe und Solar Orbiter werden die Sonne gleichzeitig von verschiedenen Orten beobachten. Bild: NASA Scientific Visualisation Studio Die Parker Solar Probe und Solar Orbiter werden die Sonne gleichzeitig von verschiedenen Orten beobachten. Bild: NASA Scientific Visualisation Studio Eine animierte Visualisierung des Bahnverlaufs der beiden Sonden um die Sonne finden Sie hier: Bahnverlaufs von Parker Solar Probe und Solar Orbiter um die Sonne Wie die beiden Bahnen zeitlich koordiniert sind, kann man jedoch erst berechnen, nachdem Solar Orbiter gestartet sein wird.

Säm Krucker zum Launch der Raumsonde Parker Solar Probe am 11.8.2018

Der Sonne so richtig nahe kommen

by Radio SRF, 10.8.2018 | Interview mit Säm Krucker zum Start der Raumsonde Parker Solar Probe